BAD AACHEN 11-2019

4 | B AD A ACHEN 11/19 HISTORIE „Stunde null“ in Aachen Von Sabine Mathieu D er Krieg ist aus! So titelten die Aachener Nachrichten im Mai 1945. Dabei war der Krieg für Aachen an diesem Tag schon ein halbes Jahr lang vorbei. Dennoch: Die Schlagzeile zieht und ist der Titel der Ausstellung im Internationalen Zeitungsmuseum (IZM) an der Pontstraße. Zurück zum 21. Oktober 1944. Gegen 11 Uhr morgens hisste Oberst Wilck die weiße Fahne. Nach sechswöchiger zäher Schlacht um Aachen kapitulierten die deutschen Soldaten, obwohl sie auf „unbedingtes Halten bis zum letzten Mann“ verpflichtet worden waren. Sie ergaben sich der 1. US-Division unter Kommando von General Huebner. Nach zermürbenden Gefechten um Häuser und Straßen sowie 75 Bombennächten wurden die Kampfhandlungen eingestellt. Die Amerikaner brachten 6000 Zivilisten in einem Auffanglager in Brand unter. Am 31. Oktober wurde in der Lützow- Kaserne an der Trierer Straße der erste Nachkriegsbürgermeister Aachens vereidigt: der Rechtsanwalt Franz Oppenhoff. Ihm standen neun weitere Bürgermeister für verschiedene Bereiche zur Seite. In einem Aufruf an alle Aachener formuliert Oppenhoff die Situation so: „Es gibt nichts mehr zu verwalten. Alles und jedes ist neu zu erarbeiten. Die Aufgabe erscheint hoffnungslos und geht fast über all unsere Kraft. Dennoch ist es unsere Gewissenspflicht anzufangen.“ Wiederaufbau im Centre Charlemagne Alles auf Anfang?, so lautet dann auch der Titel der parallel statt- findenden Ausstellung im Centre Charlemagne. Sie zeichnet den Weg Aachens von der Machtergreifung der Nationalsozialisten, die bei der Reichstagswahl im Juli 1932 nur 18,1 Prozent der Stimmen erhielten, bis zur völligen Stadtzerstörung nach. Der Autor Jörg Friedrich beschrieb es in seinem Buch Der Brand so: „Bis zum Juni 1943 konnte Aachen von sich sagen, dass es in über tausend Jahren nicht kriegerisch zerstört worden war. Die Letzten, die es danach gelüstete, waren 881 die Normannen gewesen...“ Der Verbindungsoffizier, Lieutenant Col. Harrison, schrieb am 22. Oktober 1944 in sein Notizbuch: „Wenn jede deut- sche Stadt, durch die wir kommen, so aussieht wie die, hat der Hunne Jahrhunderte zu tun, sein Land wieder aufzubauen.“ Tat- kräftig stellten sich die Aachener den Herausforderungen. Wohn- raum musste geschaffen und die Versorgung mit dem Allernötigsten organisiert werden. Millionen Tonnen von Schutt wurden sortiert und abtransportiert. Axel Deubner hat in dem Band Trümmerbahnen und Trümmerverwertung die Geschichte seines Vaters Berndt erzählt: „Obwohl technisch unerfahren, machte mein Vater sich ans Werk.“ Er besaß Tatkraft und Unternehmergeist. Fleiß, Mut und Willenskraft prägten die Zeit, in der die Stadt ihr neues Gesicht erhielt. Oppenhoff hat den Krieg nicht überlebt, ein sogenanntes Werwolfkommando erschießt ihn im März 1945 in seinem Haus an der Eupener Straße. Dr. Kurt Pfeiffer, der als Bürgermeister das Finanzressort übernimmt, wird 1949 zum Vater des Internationalen Karlspreises. Die Ausstellung beleuchtet den Wiederaufbau und die neue, europäische Ausrichtung bis hin zur ersten Karlspreisverlei- hung, aber auch die schleppende Aufarbeitung der NS-Diktatur. Mehr als 200 Exponate, darunter zahlreiche private Aufzeichnungen und Erinnerungsstücke von Aachenern, haben die Kuratoren Anke Asfur und Lars Neugebauer zusammengetragen. „Besonderes Augenmerk liegt auf dem persönlichen Erleben der Kriegs- und Nachkriegsjahre“, erklären sie. Nachkriegsnöte im Couven Museum Das frisch renovierte Couven Museum zeigt passend zum Thema die Nöte der Nachkriegszeit. Wie kamen die verbliebenen Bewohner und die zahlreichen Rückkehrer in ihrer zerstörten Stadt zurecht? Der Frage nach dem Alltag zwischen totalem Zusammenbruch und beginnendem Wiederaufbau geht die Kuratorin Dr. Gisela Schäffer nach. Viele Kinder der Generation zwischen 1935 und 1955 werden sich erinnern. Dr. Heinz Malangré, später IHK-Präsident in Aachen, Gleich drei Ausstellungen thematisieren das Kriegsende vor 75 Jahren. Die Route Charlemagne widmet sich der Zeit, die das heutige Stadtbild grundlegend verändert hat, an drei verschiedenen Orten… Foto: Sammlung Erben Ernst Rathaus Flak Kasinostraße Hotmannspief

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