BAD AACHEN 07-2020

8 | B AD A ACHEN 07/20 S ina lässt Frauchen Anja Wiese nicht aus den Augen. Die dreijährige Hündin weiß, dass sie auf der Decke bleiben soll, holt sich bei der 25-Jährigen, die seit einem Jahr Försterin im Aachener Gemeinde- forst ist, aber immer wieder mal kurz ein paar Streicheleinheiten. „Sina kann schon eine Menge, ein guter Jagdhund“, lächelt Anja Wiese. Ein Wachtelhund war ihr großer Wunsch, und nicht nur der ist in Erfüllung gegangen. Försterin – als das Studium in Göttingen anlief, wurde ihr mehr und mehr klar, dass sie in diesem Beruf zu Hause sein würde. Öko- logische Themen, forstwirtschaftliches Arbeiten, die Beschäftigung mit Menschen, Flora und Fauna liegen der jungen Frau aus dem Sauerland. Sie ist bereit, Verantwortung zu übernehmen – für das Heute und für folgende Generationen, denn Neupflanzungen werden erst in 80 bis 100 Jahren erntereif sein. Die Arbeit für das Aachener Revier hat viele Facetten. Holzsortierungen sind wichtig, korrekte Holzabfuhr, der Kampf gegen den Borkenkäfer und die Sorge aufgrund der anhaltenden Trockenheit. Die Hälfte ihrer Dienstzeit verbringt Anja Wiese zudem am Schreibtisch im Forsthaus Linzenshäuschen. Bleibt da Raum für Romantik? „Unbedingt“, ver- sichert sie. „Wenn morgens die Sonne aufgeht und der Nebel auf- steigt, oder der Regen von den Blättern tropft, ist das wunderschön.“ Sachlich beobachtet sie die Wildbestände. Ob Rehe, Wildschweine oder Füchse, Anja Wiese weiß, wo die Populationen im Revier ein gesundes Gleichgewicht aufweisen – oder nicht. Die Jagd gehört zu ihrem Beruf. „Der Wald lügt nicht“, betont die Försterin. „Die Rehe mögen zum Beispiel das Waldweidenröschen, schon am Verbiss können wir sehen, wie groß die Zahl der Tiere ist.“ Ob Spaziergänger, Mountainbiker oder Reiter: Von allen erwartet sie Respekt gegenüber der Natur, besonders dann, wenn man Jung- tiere oder brütende Vögel vermuten muss. Förster, ihr Traumberuf? „Unbedingt“, versichert sie. Dem TV-Förster aus dem Forsthaus Falkenau hat sie früher gern zugeschaut. Doch die Realität gefällt ihr noch viel besser. sar Wie kam es zum Entschluss, Försterin zu werden? Meine Familie war eher erstaunt, hat mich aber in allem unterstützt. Ich war immer schon sehr naturverbunden, habe früh auch mit Jagdhunden zu tun gehabt. Nach Recherchen konnte ich feststellen, dass der Beruf für mich wirklich interessant ist. Als ich erfuhr, dass ein Studium zur Ausbildung gehört, stand mein Entschluss fest. Da habe ich mich an der Uni in Göttingen eingeschrieben. Von Anfang an hatten Sie mit dem Problem des Borkenkäfers und mit der Trockenheit in der Natur zu tun. Das hat mich wirklich über meine gesamte Studien- und Ausbil- dungszeit begleitet. Wichtig finde ich den Zusammenhang. Wenn ein Baum genug Wasser erhält, hat er die Fähigkeit, Harz zu bilden und dort, wo der Borkenkäfer Löcher bohrt, ihn aktiv auszuharzen , also abzuwehren. Ohne Trockenheit hätten wir weniger Schädlinge. Bieten Sie Waldführungen an? Leider fehlt uns hierzu oft die Zeit, obwohl wir Waldführungen für extrem wichtig halten. Kinder können heute häufig nicht einmal die Baumsorten unterscheiden, vom Zusammenspiel zwischen Öko- logie, Holznutzung und Erholung ganz abgesehen. Klimawandel ist eine Tatsache – wie reagiert die Forstwirtschaft? Wir machen uns Gedanken über Arten, die mit größerer Wärme und weniger Feuchtigkeit auskommen. Interessant ist zum Beispiel die Esskastanie. Grundsätzlich setzen wir auf Baumartenvielfalt mit heimischen, aber klimastabileren Baumarten. Waldbaden ist als Shinrin Yoku in Japan ein Gesundheitstrend, der bei uns ins Gespräch gekommen ist. Was halten Sie davon? Wir haben Anfragen, werden aber keine Flächen dazu ausweisen. Wir hindern niemanden daran, den Aachener Wald zu genießen und neue Kraft zu tanken. Das tue ich schließlich auch (s. auch S. 36/37). VORGESTELLT Foto: Andreas Herrmann FRAGE BOGEN Geburtsjahr: 1995 Geburtsort: Bad Fredeburg/ Sauerland Familienstand: ledig Beruf: Försterin Hobbys: Wachtelhund Sina, Reiten, Natur Anja Wiese Försterin aus Leidenschaft Die junge Revierleiterin liebt die vielen Facetten des Aachener Waldes.

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