BAD AACHEN 03-2021

Rarität: Das erste Semester- programm der Volkshochschule Aachen aus dem Gründungsjahr 1946. In 75 Jahren hat sich nicht nur das Layout modern weiter- entwickelt. Auch das Kursangebot wird stets aktualisiert. 20 | B AD A ACHEN 03/21 BILDUNG VHS will neugierig bleiben Am 26. März 1946 wurde die Volkshochschule in Aachen gegründet. „Bildung für alle“ lautete das Motto, dem sich die Einrichtung bis heute verbunden fühlt. Direktorin Dr. Beate Blüggel blickt zurück und voraus… H andarbeiten? Klar! Politik? Unbedingt! Sprachen? Der Klassiker! Erneuerbare Energien? Immer schon! Die Volkshochschule Aachen (VHS) verbindet seit 75 Jahren ihren Bildungsauftrag mit wohltuenden Nebenwirkungen: Menschen treffen sich an einem Ort, wo Alter, Herkunft oder Nationalität keine Rolle spielen, reden, lachen und lernen miteinander. Dr. Beate Blüggel, seit 2013 Leiterin der VHS, neigt nicht zu hochtrabenden Beschreibungen. Ihr Wunsch: „Neugierig bleiben“, und das ist der Kern eines Programms, das an der Zeit- geschichte wächst. Gründungsdatum ist der 26. März 1946. Aachen lag in Trümmern, es herrschte Not. „Demokratisierung, Entnazifizierung, das waren Vorgänge, die viele erst verstehen mussten. Antworten hatte die Volks- hochschule“, sagt Beate Blüggel. Die Anfänge waren vom Schulterschluss mit der RWTH Aachen geprägt – so etwas hatte es zuvor nicht gegeben: Hörsäle öffneten sich für ganz normale Leute. Das Versprechen Bildung für alle , das man 1919 bereits in der Weimarer Verfassung verankert hatte, markierte den zweiten Bildungsweg , der sein Gesicht verändern sollte. „Man dachte zunächst an Arbeiter, die mehr erreichen wollten, als es in Fabriken möglich gewesen wäre“, blickt Beate Blüggel zurück. „Heute sind es diejenigen, die durch das Raster des Bildungssystems gefallen sind. Bei uns schaffen sie den Schulabschluss, der ihnen eine Zukunft eröffnet.“ Am Puls der Zeit „Wir hatten uns ein rauschendes Fest im Krönungssaal gewünscht“, denkt Beate Blüggel an das Jubiläum. „Stattdessen haben wir uns darauf eingestellt, dass zahlreiche Angebote corona- konform gestreamt werden können.“ Wie etwa die Festveranstal- tung am Freitag, 26. März, mit Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen und dem viel beachteten Autor Navid Kermani als Festredner. Auch gibt es ein Preisausschreiben – mit 15 Fragen zu 75 Jahren VHS-Aktivitäten. Eine Frage lautet: Wann gab es in der Volkshochschule Aachen den ersten Upcycling-Kurs: 1946, 1982 oder 2013? Gar nicht so leicht. Viel geschah in der VHS in 75 Jahren. Und immer war sie am Puls der Zeit. Mülltrennung, Verkehr und Luftverschmutzung sowie die Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit waren frühe Themen. Der Sprachensektor entwickelte sich zu einem der wichtigsten Bereiche. Was einst mit dem Italienischkurs die Sehnsucht nach dem sonnigen Süden förderte, reicht heute bis zum Chinesisch für Geschäftsleute. „Bildung ist ein Menschenrecht“, betont Beate Blüggel. Das Wissen teilen – mit dieser Absicht unterscheidet sich die Volkshochschule von anderen Bildungseinrichtungen. „Wer zu uns kommt, bringt eigene Erfahrungen mit und kann davon berichten“, versichert sie. In den 1960er- und 70er-Jahren hatte das Angebot der Volks- bildung Anteil an der Emanzipationsbewegung. Ein Näh- oder Koch- kurs war oft die erste Gelegenheit für Frauen, etwas alleine zu unter- nehmen, mit anderen Frauen zusammenzutreffen. Das damalige Kursmotto Das tapfere Schneiderlein kam allerdings nicht so gut an… Beate Blüggel gehört zu den Autorinnen der bundesweiten Fest- schrift 100 Jahre VHS mit Blick auf 1919 und die Weimarer Verfas- sung. Ihr dortiger Beitrag Erwachsenenbildung in Bewegung – Frauen steuern mit beschäftigt sich mit den erstarkenden Gender- und Diversity-Bemühungen in Deutschland. 1990 hatte die Mitglieder- versammlung des DVV (Deutscher Volkshochschul-Verband) einen Arbeitskreis Frauenbildung gegründet. „Früher wie heute sind 70 Prozent der Teilnehmenden Frauen“, berichtet Beate Blüggel. Verlockende Themenvielfalt prägt die Aachener VHS (seit 1996 ein Eigenbetrieb der Stadt), bei der 450 Dozentinnen und Dozenten im Einsatz sind. Immer wieder musste man mit den Finanzen ringen, gab es Diskussionsbedarf im Hinblick auf die Novellierung des Weiter- bildungs- und des Integrationsgesetzes in NRW. „Wir sind froh, dass wir nun 1,8 Millionen Euro Rücklagen vorweisen können“, sagt die Direktorin. Mit Stolz lässt man daher zum Jubiläum in den städti- schen Anlagen Blumenteppiche in den VHS-Farben Blau, Weiß, Gelb und Rot aufblühen – mit dem Slogan: 75 Jahre VHS Aachen . sar 75 JAHRE VHS IM LIVESTREAM Die Volkshochschule Aachen wurde am 26. März 1946 in der Kaiser- stadt gegründet. Auf den Tag genau 75 Jahre später lädt nun am Freitag, 26. März, 11 Uhr, ein coronakonformes Online-Live-Event zum Mitfeiern ein. Als Festredner tritt der renommierte Autor Navid Kermani (Foto) auf, Aachens Ober- bürgermeisterin Sibylle Keupen lässt es sich nicht nehmen, den Gastgeberinnen der VHS, Direktorin Dr. Beate Blüggel und Lisa Westkamp, Vorsitzende des Betriebsausschusses, zu gratulieren. Moderator ist Ralf Raspe. www.vhs-aachen.de Foto: A. Herrmann Direktorin: Dr. Beate Blüggel

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