54 | BAD AACHEN 06/23 Ein Pilger braucht gutes Schuhwerk, wetterfeste Kleidung, einen Rucksack, Wanderkarte – und Proviant. Wer heute aufbricht, den Jakobsweg zu erkunden – oder ganz aktuell die Heiligtumsfahrt in Aachen (s. S. 4 bis 8) zu besuchen, der kann sich in Geschäften und Gastronomien leicht versorgen. Die vielen Völkerscharen aber, die im Mittelalter aus allen Teilen Europas nach Aachen kamen, waren darauf angewiesen, vor Ort Nahrung zu erhalten. Und was hätte os Oche da Besseres zu bieten gehabt als echte Printen! So hat Aachen ein einzigartiges Pilgerbrot, das sich ideal zur Aufbewahrung eignet: Einmal hart geworden, ist es fast unbegrenzt haltbar. Schon zu Kaiser Karls Zeiten sollen Menschen hierher gepilgert sein. Die Reliquien gehen ja auf den Frankenherrscher zurück, der die Tuche 799 vom Patriarchen von Jerusalem erhalten hatte. Und jedes Öcher Kenk weiß, dass Printen die Lieblingsspeise Karls des Großen gewesen sein sollen. Von einer zur nächsten Legende: Allgemeinwissen ist auch, dass die Bäcker nach dem Stadtbrand 1656 das Rezept für die Printen mit Hilfe des Teufels aus Karls Grab geholt haben. Ob das stimmt? 1620, also vor mehr als 400 Jahren, wurde der Marktbrunnen angefertigt. Die Skulptur dazu kam aus Dinant in Belgien. Dort wurden zudem Gussformen für ein Gebildgebäck namens Couques de Dinant hergestellt. Möglich, dass diese mit dem bronzenen Karl den Weg nach Aachen fanden. Die hiesigen Bäcker begannen auf jeden Fall, Gewürzteig in Modeln zu drücken, um ein Gebild zu KULINARIK-TIPP Printen für Pilger Aachener Printen Konsistenz: von steinhart bis saftig-weich, Kandisstücke inklusive Form: Gebilde, Platten, Schnitten und vieles mehr Geschmack: unverwechselbar formen. Der Name Printe kommt vom mundartlichen Prenten für drücken oder pressen. Wann die Massenherstellung für das Gebäck begann, ist spekulativ. Tatsache ist, dass man einen Teig ohne tierische Fette entwickelte. Im Laufe der Zeit veränderte sich die Rezeptur und wurde dem Zeitgeschmack angepasst. Mit dem Einsatz von Melasse wurde der Teig allmählich sämiger. Das Formen von Platten wurde plötzlich möglich. Daraus entstanden verschiedene Größen: die Bruchprinten, die Schnitten und die Möppchen. Im Laufe der vergangenen 200 Jahre haben sich unzählige Sorten entwickelt. Da Gewürze früher mühsam herbeigeschafft werden mussten, waren sie sehr teuer. Die Printe wurde daher nur für hohe kirchliche Feiertage produziert. Den Teig fertigte man ohnehin auf Vorrat an, denn er musste mindestens sechs Wochen ruhen. Manche Bäcker verarbeiteten ihn sogar erst nach einem Jahr. Dann war er so hart, dass nur die stärksten Männer ihn kneten konnten. Heute genießt die Aachener Printe Gebietsschutz. Wer das Gebäck verkauft, der muss es in Aachen herstellen. Kaufen darf es aber jeder. Und gerade jetzt zur Heiligtumsfahrt haben sich die Meister ihrer Zunft – so wie Michael Nobis von Nobis Printen, der die tollen Printen für diese Seite zur Verfügung gestellt hat – viel einfallen lassen und passende Motive geschaffen, die nicht nur den Pilgern aus aller Welt ihren Besuch versüßen. Auch für die Öcher ist eine so schön verzierte Printe ein Souvenir – das sicher bis zur nächsten Heilgtumsfahrt hält. Es sei denn, man hat vorher herzhaft hineingebissen... sm/cf Diesen und alle weiteren BAD AACHEN-Topfgucker unter www.bad-aachen.net! Foto: Centre Charlemagne Seit dem Mittelalter ist sogar das Pilgerbrot in Aachen einzigartig. Foto: Sabine Mathieu Printen: Nobis Printen/Foto: C. Hartmann
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