BAD AACHEN 04-2024

22 | BAD AACHEN 04/24 KULTUR „Zum Teil ganz schön krass“ Ein unvollendetes Singspiel von Mozart trifft auf eine politisch brisante Liebesgeschichte des 21. Jahrhunderts von Komponistin Chaya Czernowin. BAD AACHEN sprach mit Regisseur Ran Chai Bar-zvi. Von Sabine Rother Es geht um Macht, um Liebe und um tödliche Konflikte – die Betroffenen tragen im Barock seidige Kostüme und Perücken, in der Gegenwart eher der heutigen Mode entsprechende Kleidung. Mit der Produktion Zaïde/Adama verknüpft Regisseur Ran Chai Bar-zvi, Jahrgang 1989, geboren in Jerusalem, zwei Fragmente – eins überliefert, eins extra geschaffen. Er will daraus ein funkelndes Gesamtwerk formen, zugleich aber für eine anspruchsvolle Sicht auf die brisante Gegenwart sorgen. Zaïde, ein Fragment von Wolfgang Amadeus Mozart, entstanden 1779, gilt als Vorstudie zum Singspiel Die Entführung aus dem Serail. Eine künstlerisch selbstständige Ergänzung des Zaïde-Fragments – vielleicht sollte man von einer Spiegelung sprechen – hat die Komponistin Chaya Czernowin geschaffen, die mit aller Härte realitätsbezogen die Nöte eines gleichfalls verzweifelten Liebespaares skizziert. Sie thematisiert dabei den palästinensisch-israelischen Dauerkonflikt, Kern des Nahostkonflikts zwischen Juden und Arabern. Regisseur und Bühnenbildner Ran Chai Bar-zvi inszeniert das Stück Zaïde/Adama vor dem Hintergrund eines Konflikts, der seit dem 7. Oktober 2023 eine ganz neue, grausame Dynamik angenommen hat. Chaya Czernowin, 1957 in Haifa geboren, lehrt und arbeitet inzwischen in den USA, doch die Leiden ihrer Landsleute prägen ihr Leben und ihre Arbeit. „Obwohl uns einige Jahre trennen, empfinden wir gerade jetzt vieles gemeinsam“, betont der Regisseur, der sich mit der Komponistin getroffen hat und seine Konzeption vorstellen konnte. „Ich bin 2012 nach Berlin gekommen, also schon lange in Deutschland aktiv, sie lebt in den USA, dennoch berührt uns das Thema natürlich beide sehr.“ 2006 uraufgeführt Wenn Zaïde und Gomatz auf den türkischen Sultan treffen, wird das Machtgefälle zwischen dem europäischen Paar und dem Herrscher deutlich, der bei Mozart Milde walten lässt. Doch bei Chaya Czernowins Adama (uraufgeführt 2006 in Salzburg) gibt es kein Happy End, die Liebe zwischen einer Israelin und einem Palästinenser zerbricht an der Intoleranz der Gesellschaften und an einem sehr rachedurstigen Vater. Zum hebräischen Titelwort Adama: Es beinhaltet die Worte Erde (adama), Mann/Mensch (adam) sowie Blut (dam) und gilt als Metapher für die große Tragik. Was passiert mit beiden Kompositionen? „Das wird spannend, denn Mozarts Musik bleibt Chaya Czernowin Foto: Steven Kazuo Takasugi Ran Chai Bar-zvi Foto: Björn Klein

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