Rückenwind 03/2023

82 TOUREN UND TOURISTIK RUND UMS RUHRGEBIET Dann geht es weiter an der Emscher und dem Rhein-Herne-Kanal entlang. Die Emscher, eigentlich ein natürliches Flüsschen, das südöstlich von Dortmund bei Holzwickede entspringt, galt Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts als der schmutzigste Fluss Deutschlands, als „Kloake des Ruhrgebiets“. Deshalb wurden die Emscher sowie ihre ebenso geruchsbelasteten Zuflüsse umgangssprachlich als „Köttelbecke“ bezeichnet. Heute ist der Fluss komplett renaturiert und beliebtes Naherholungsgebiet – sogar Fische werden dort wieder geangelt. Und plötzlich ist da wieder Kunst! Die „Slinky Springs To Fame“ vom Künstler Tobias Rehberger, auch Rehberger-Brücke genannt, ist eine begehbare Fußgängerbrücke über den RheinHerne-Kanal, die in den Oberhausener Kaisergarten führt. Wir unterfahren die Brücke und erreichen kurz darauf unser letztes Ziel am ersten Tourtag: den Gasometer in Oberhausen. Früher speicherte man dort Kokereigas und versorgte damit die umliegenden Stahlwerke; heute ist der Gasometer ein Industriedenkmal und die höchste Ausstellungs- und Veranstaltungshalle Europas mit 117 Metern Höhe und 68 Metern Durchmesser. Außerdem ist er einer der größten Industrietreppenanlagen weltweit. Jährlich wird der sogenannte Gasometerlauf veranstaltet. Über die 748 Stufen der Außentreppe (Kölner Dom nur 533) gelangt man sportlich auf das Gasometerdach; eine beeindruckende Besichtigungsplattform, die bei guter Sicht einen Rundblick über das Ruhrgebiet bietet. Innen finden eindrucksvolle Ausstellungen statt, wie z.B. „Unsere Erde, der zerbrechliche Planet“ (lief bis Ende 2022). Wenn einem bisher der Klimawandel noch nichts sagte, dann spätestens nach dieser Präsentation. Noch nie zuvor bin ich auf solch beeindruckende und ästhetische Weise deprimiert worden. Wir verließen den Gasometer garantiert nicht mit einem Lächeln, aber machten uns noch mehr Gedanken über das eigene Handeln. Da schlafen wir erstmal `ne Nacht drüber. Tag 2: Von Oberhausen über Essen nach Bochum Der Museumsbahnsteig im Oberhausener Hauptbahnhof ist Teil des LVR-Industriemuseums Oberhausen. Das Museum selbst war leider wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, aber der Bahnsteig an Gleis 4 und 5 war zugänglich. Dort stehen ein Schlackenpfannenwagen und ein Torpedowagen. Schlacke, ein Abfallprodukt der Stahlproduktion, wurde zu Mauersteinen, Schotter und sogar zu Düngemittel verarbeitet; ein Torpedowagen konnte flüssiges Eisen transportieren. Danach folgen wir wieder dem Rhein-HerneKanal und gelangen zu einem Stück Geschichte des Ruhrgebiets: die Burg Vondern. Sie steht im Oberhausener Stadtteil Vonderort und wird heute für Veranstaltungen wie Hochzeiten, Konzerte, Antikmärkte und Ritterspiele genutzt. Wiederum nur 20 Minuten später fahren wir eine begrünte, renaturierte Schlackenhalde hinauf und stehen vor Kunst! Den gleichen Text hatten wir doch schon mal, und so langsam drängt sich ein Verdacht auf: das Ruhrgebiet ist zu einem Kunstmuseum der Riesenskulpturen geworden. Diesmal ist es das Bottroper Tetraeder, eine begehbare dreiseitige Pyramide auf der Halde Beckstraße. Wie zuvor bei „Tiger and Turtle“ und beim Gasometer hat man auch von hier aus einen atemberaubenden Blick aufs Ruhrgebiet. Wenig später erreichen wir die Zeche Zollverein in Essen; UNESCO Weltkulturerbe, Veranstaltungsort, Essen-Trinken-Übernachten, das alles geht auf diesem Gelände. Hier befindet Der Gasometer in Oberhausen Foto: Gert Heimbold

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