Rückenwind 04/2025

69 sistan, der 15 Jahre zurückliegt, in fünf Jahren nicht zu Gesicht bekommen. Nur mein Vorgänger im DAAD-Büro fuhr tapfer mit dem Fahrrad zur Arbeit. Nach eigener Einschätzung galt er damit als „strange“. Erstens fuhr man sowieso nicht mit dem Fahrrad zur Arbeit und zweitens als Leiter von irgendwas schon gar nicht. Fahrrad als Statussymbol? Klar, kein Status ist auch ein Statement. 15 Jahre sind eine lange Zeit. Mein erster Eindruck: Es hat sich was getan in Sachen Fahrradinfrastruktur. Mehr Infrastruktur – aber wenige Radfahrer Zumindest gibt es überall Fahrradständer: vor Einkaufszentren, vor Bürogebäuden, weniger allerdings vor Schulen – also eher da, wo Erwachsene hinfahren. Die Früchte der späten Entwicklung: Keine dieser Abstellmöglichkeiten ist vom Typ Speichenkiller, alle ordentlich zum Fahrradanlehnen und -abschließen. In Fahrradständern ist man Deutschland voraus. Nur stand in diesen kein einziges Fahrrad, jedenfalls keines, was in Gebrauch war. Dafür weisen einige Ständer durch kunstvoll angefertigte Fahrradsilhouetten oder weiße Fahrräder darauf hin, wozu sie gedacht sind. Es gibt auch vereinzelt Fahrradwege, so zum Beispiel an der Flaniermeile von Bischkek, dem Tschuj-Prospekt. Zwar sind die vom restlichen Teil des Bürgersteigs nur durch eine weiße Linie abgetrennt, aber bei den wenigen Radfahrenden funktioniert das recht gut. TOUREN & TOURISTIK KIRGISISTAN Selbst die vielen Glovo-Fahrer (das kirgisische Lieferando), die mit ihren knallgelben Rucksackboxen bei Wind und Wetter fahren und es naturgemäß eilig haben, halten sich an ihren Bereich. Fahrräder auf Bürgersteigen haben Vorfahrt Mein zweiter Eindruck: Der Autoverkehr hat sich in 15 Jahren vervielfacht. Man steht mehr als man fährt, an großen Kreuzungen herrscht besonders bei Linksabbiegern das Recht des Stärkeren, das mit durchdringendem Hupen sowohl durchgesetzt als auch (von Nicht-Linksabbiegern) in Frage gestellt wird. Die Hauptstraßen sind breit, und vielleicht kann man sich ja bei Staus an der Seite noch vorbeiquetschen. Kein Terrain für Radfahrer. Und so kommt es, dass Fußgänger und Fahrradfahrer*innen sich die Bürgersteige teilen, und zwar ganz legal. Laut kirgisischer Straßenverkehrsordnung haben Fahrräder auf Bürgersteigen Vorfahrt. Wenn man also besonders von Glovo-Fahrern aus dem Weg geklingelt wird, hat das seine Richtigkeit. A propos Klingel oder Licht: alles nicht vorgeschrieben, aber zumindest im Falle von Klingel ein Nice-to-have – siehe oben. Ein Trillerpfeifchen im Mund tut auch seinen Dienst. Bei wärmerem Wetter wagen sich auch NichtGlovo-Fahrer zunehmend wieder hervor. Aber Radweg auf dem Tschuj-Prospekt, meist genutzt durch die stark nachgefragten Lieferdienste. Hier ist keiner gestorben: Das weiße Fahrrad lädt lediglich dazu ein, das eigene danebenzustellen.

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