70 doch eher als Freizeitaktivität – als Alternative zum Auto oder zum Nahverkehr wird das Fahrrad weniger gebraucht. Dabei wäre gerade hier eine Tendenz weg vom Auto dringend erforderlich. Nicht nur steht man zu allen Tageszeiten im Stau, hinzu kommt auch die hohe Luftverschmutzung, zu der der Autoverkehr massiv beiträgt. Bürgerinitiative für besseren Radverkehr? In Bischkek Fehlanzeige. Eine zivilgesellschaftliche Initiative in Richtung Radverkehr bleibt aus. Wie Daniil Potapov, Mitarbeiter beim Fahrradladen Velopro, erzählt: Die Initiative zum Anlegen von Fahrradwegen geht ausschließlich von der Stadtverwaltung aus. Angesprochen auf eine mögliche NGO, die sich einbringen könnte, winkt er ab: Da würde doch keiner mitmachen, und Einfluss hätten die ohnehin nicht. In der Tat haben Vereine, die auf ehrenamtlichem Engagement basieren, in der ehemaligen Sowjetrepublik Kirgisistan keine Tradition. Gesellschaftliches Engagement wurde von Schule, Universität oder Betrieb angeordnet und war dementsprechend weder auf Eigeninitiative noch auf Freiwilligkeit gegründet. Nach dem Zerfall der UdSSR in den frühen neunziger Jahren fehlte auch die Zeit: Bei den ökonomischen Umwälzungen waren die meisten Kirgisinnen und Kirgisen gezwungen, in mehreren Jobs bis zu 16 Stunden am Tag zu arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Zwar entstanden NGOs, die durchaus auch zu ökologischen Themen arbeiteten, galt Kirgisistan doch nach der Unabhängigkeit lange als das liberalste der zentralasiatischen Länder mit einer relativ aktiven Zivilgesellschaft. Doch arbeiteten diese überwiegend mit hauptamtlichen Persona, haüfig finanziell durch internationale Organisationen unterstützt. Ihre Situation ist unter Präsident Sadyr Dzhaparov schwieriger geworden. Das 2024 erlassene Ausländische Agentengesetz, das eine stärkere Kontrolle von ausländisch finanzierten Organisationen vorsieht, hat vielleicht auf den ersten Blick nichts mit einer bürgerlichen Initiative zu Verbesserung des Radverkehrs in Bischkek zu tun; es trägt allerdings zu einer Atmosphäre bei, die den Rückzug ins Private fördert. Die Gründung eines kirgisischen Äquivalents des ADFC wird noch auf sich warten lassen müssen. Derweilen entwickelt sich das Fahrradgeschäft nach oben, so Daniil von Velopro. Gefahren wird gern in den großen Parks, wie sie vor allem außerhalb des Zentrums existieren. Wer es anspruchsvoller mag, für den gibt es auch Gruppen, die sich zum Mountainbiken verabreden. Dazu braucht man keinen ADFC mit Tourenprogramm, das läuft per MessengerDienst Telegram. Übrigens: E-Räder spielen keine Rolle. Da nimmt man doch auch als Glovno-Fahrer lieber gleich den Motorroller – mit eingebauter Klingel! Gisela Zimmermann Zum Mountainbiking verabredet man sich per Telegram. Gespräch im Fahrradladen Velopro TOUREN & TOURISTIK KIRGISISTAN
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