11 VERKEHRSPOLITIK LITERARISCH Staatsgäste in Begleitung weißer Motorräder entlangfuhren. Heute? Fahrräder, Fußgänger, Bäume, wenige Autos auf zwei Fahrspuren. Ich hatte kurz das Gefühl, die Kurfürsten hätten damals schon fürs Rad geplant – sie ließen immerhin nur eine Kutsche je Richtung durchs Koblenzer Tor. Die Bonner hatten ja bald 300 Jahre Zeit, sich an dieses Nadelöhr zu gewöhnen. Über die neue Rheinbrücke „Links abbiegen!“, rief Heinz kurz vor der Weberstraße. Und plötzlich standen wir auf einer funkelnagelneuen Brücke über den Rhein. Eine elegante Brücke nur für Fußgänger und Radler. Mit Cafés, kleinen Buden, fliegenden Händlern. Ich nahm mein erstes Kölsch seit Jahrzehnten mitten auf der Brücke mit Blick auf das Siebengebirge. Es schmeckte nach Heimat. Heinz bestellte gleich zwei. „Früher hat man hier über Brücken gestritten, bis keiner mehr wollte. Heute hat man einfach gebaut. Verrückt, oder?“ Wir rollten weiter durch den Beueler Rheinauenpark. Breite Wege, volle Vielfalt: Touristen mit Packtaschen, Pendler in Anzügen auf Rennrädern, Eltern mit Kinderanhängern, Lieferanten mit Lastenrädern. Platz für alle. Früher wäre hier ein einmeterzwanzig breiter „Radweg“ gewesen – mit Schlaglöchern als eingebauter Hindernisparcours. Kurz vor der Südbrücke wartete die Seilbahn. Fahrräder einfach einhängen, fertig. Wir schwebten über den Rhein Richtung Venusberg. Was für ein Blick über die Stadt. Vom Venusberg rollten wir weiter bis zur Hardthöhe. Neue Brücken über Täler, selbst über dem berüchtigten Katzenloch sichere Radwege. Vor dem Verteidigungsministerium salutierten wir. Heinz: „Die haben jetzt mehr Fahrräder als Panzer.“ Ich schwöre, ich sah tatsächlich einen General mit Helm. Fahrradhelm. Dann stiegen wir in die neue Stadtbahn – die Westbahn. Jahrzehntelang geplant, verschoben, neu erfunden, wieder verschoben. Jetzt fuhr sie. Ich musste mich kneifen. Am Telekom-Dome auf den Radschnellweg Beim Telekom-Dome stiegen wir aus. „Jetzt geht’s schön bergab!“, kündigte Heinz an. Und tatsächlich: Ein Radschnellweg, glatt wie ein Babypo, breit wie eine Autobahn. Wir rauschten durch Poppelsdorf, Endenich, weiter über die neue Nordbrücke. Kein Stau, kein Hupen, stattdessen Rückenwind. Noch ein Schlenker nach Niederkassel, dann zurück mit der neuen Stadtbahn BonnKöln. Der Rhein war plötzlich keine Barriere mehr, sondern eine schöne Aussicht. Wir stiegen am Stadthaus aus. Früher ein grauer Klotz, heute ein modernes Zentrum. „Und?“, fragte Heinz. „Ihr steuert wohl auf 90 Prozent Umweltverbund zu: kaum Autos, stattdessen Räder, Busse, Bahnen. Schon verrückt.“ Dann fiel mir noch eine letzte Frage ein: „Und wo ist eigentlich die legendäre Pissrinne?“ Heinz grinste: „Die gibt’s noch – aber sie wurde saniert, verbreitert und beherbergt heute die Server mit allen alten Verkehrsprojekten, die nie umgesetzt wurden. Ein Mahnmal der Bonner, nein der deutschen Planungskultur.“ Ich lachte. Selbst aus gescheiterten Projekten macht man noch ein Denkmal. Und ich? Ich stieg auf mein Rad, das Kölsch in den Beinen, die Sonne im Gesicht, und dachte: Bonn 2035 – wer hätte das gedacht? Bernhard Meier Realität 2025? Mit der Seilbahn von Beuel über den Rhein bis zum Venusberg Foto: Peter Oszvald
RkJQdWJsaXNoZXIy MTM5Mjg=