BAD AACHEN 10-2020

8 | B AD A ACHEN 10/20 G eneralintendant Michael Schmitz-Aufterbeck ist gelassen. Ja, es geht ihm recht gut. Aber die überstandene Corona-Infektion hat auch ihn – wie viele andere Betroffene – deutlich geschwächt. „Wenn es heiß und schwül wird, spüre ich, dass mein Körper noch nicht fit ist, dass ich schwerer Luft bekomme“, sagt er offen. Mit aller Energie ist er dabei, zusammen mit seinem Team alles für die anlaufende Spielzeit in die Wege zu leiten. „In diesem Haus weiß man, was Corona bedeutet, ob man erkrankt war oder nicht“, sagt er ernst: „Der Umgang ist aufmerksam und problembewusst.“ Die Arbeit an den neuen Inszenierungen ist durchsetzt vom Geflecht der Sicherheitsbestimmungen, die in kurzen Abständen erneuert, verändert, variiert werden. Dass in der Maske jeder, der geschminkt wird, über ein eigenes Schminkset verfügt, steigert die Ausgaben und kompliziert die Arbeit. Jede Regie-Idee wird auf Corona-Taug- lichkeit abgeklopft. Bühnen-Kuss, Umarmung, Handgreiflichkeiten? „Nein, das gibt es nicht, aber Liebe oder andere Gefühle werden dennoch ausgedrückt“, verspricht Schmitz-Aufterbeck. Opern wie Puccinis Turandot oder Bizets Carmen stehen auf dem Spielplan. Drei bis vier Meter Abstand zwischen Sängerinnen und Sängern des Chors? Schwierig! Zum Glück dürfen sie einander nun näherkommen. Die Suche nach reduzierten Orchesterfassungen ist ein weiteres Abenteuer. Denn Abstand gilt auch im Orchestergraben. Was tun, wenn es kein kleines Format für eine große Oper gibt? „Dann suchen wir uns Komponisten/Bearbeiter, die das Stück für eine kleine Fassung arrangieren“, sagt Schmitz-Aufterbeck. Mit Jean Giraudoux‘ bitterer Komödie Die Irre von Chaillot (s. auch S. 20/21) startet das Sprechtheater in die neue Spielzeit – eine Inszenierung, die bereits für die Zeit vor der Corona-Pandemie geplant war. „Das Stück zeigt den unverantwortlichen Umgang mit der Welt, den Irrsinn, das passt“, meint Aachens Generalintendant. Und selbst für die Oper Die Schöne und das Biest von Philip Glass gibt es aktuelle Bezüge zur Realität: der Blick auf das Fremde, die Verunsicherung ... sar Hat Corona das Theatermachen grundlegend verändert? Ich hoffe nicht, dass wir das Theatermachen grundlegend neu definieren müssen. Momentan müssen wir mit den veränderten Bedingungen umgehen und sie konstruktiv umsetzen. Bei jeder Sache überlegen wir neu, was geht, wie es geht. Das beginnt bei den Quadratmeterzahlen, die pro Person und pro Raum vorgesehen sind. Das eine sind die Bühnen, die andere Frage: Was passiert hinter der Bühne, in der Garderobe und der Maske? Ist die Arbeit der Maskenbildner besonders schwierig geworden? Unbedingt. Die Maskenbildner treffen mit Menschen zusammen, die keinen Mund-Nasen-Schutz tragen können. Sie selbst brauchen Visier, Mundschutz, Handschuhe und Kittel. Es muss für jeden einzel- nen Künstler ein individuelles Schminkset geben. Bei der Barock-Oper La Calisto gibt es auch im Original nur eine kleine Orchesterbesetzung. Wie lösen Sie aber das Problem bei Giacomo Puccinis Turandot oder bei Georges Bizets Carmen ? Wir profitieren von dem Umstand, dass viele Opern – so auch diese beiden – schon an kleineren Häusern für kleine Orchester-Besetzung bearbeitet wurden. Diese Fassungen suchen wir nun und werden sie mit dem Sinfonieorchester umsetzen. Wie gehen Sie mit dem Verkauf der Eintrittskarten um? Wir könnten im Haus alle Plätze verkaufen, da wir die Rückverfol- gung gewährleisten können. Aber das tun wir nicht, auch aufgrund der Enge des Foyers und der sanitären Anlagen. Wir setzen auf den Mindestabstand von eineinhalb Metern. Bei weniger Besuchern kann man sich in den Pausen entspannt treffen. Müssen sich Ihrer Meinung nach die Theater auf eine länger- fristige Zeit der Einschränkungen einstellen? Die Problematik wird uns wohl noch mindestens zwei Jahre begleiten. VORGESTELLT Foto: Theater Aachen FRAGE BOGEN Geburtsdatum: 15. 1. 1955 Geburtsort: Brühl Familienstand: verheiratet, zwei Kinder Beruf: Generalintendant des Theaters Aachen Hobbys: Theater, Musik, meine Familie Michael Schmitz- Aufterbeck Der Blick auf das Fremde Die neue Spielzeit am Theater Aachen startet – unter ganz neuen Bedingungen

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