BAD AACHEN 04-2025

22 | BAD AACHEN 04/25 Roermonder Straße 328 ׀ 52072 Aachen ׀ 0241 94323444 ׀ www.wallraf.de © Stadtmagazin BADAACHEN Kettnaker System Vita KULTUR Thriller zum Mitdenken Im Grenzlandtheater wirft Waisen Fragen nach Schuld, Verantwortung und Zivilcourage auf und enthüllt, wie schnell Werte über Bord geworfen werden. Sabine Rother sprach mit Regisseurin Anja Junski darüber. Vorsicht, wenn es an der Tür klingelt – das könnte Ärger bedeuten, zumindest dann, wenn man den Thriller Waisen von Dennis Kelly erlebt, der am Mittwoch, 30. April, 20 Uhr, im Grenzlandtheater Aachen Premiere feiert. In der Inszenierung von Anja Junski, Regisseurin und zugleich Dramaturgin sowie Kaufmännische Geschäftsführerin des Theaters mit Sitz in der ElisenGalerie, ist das so. Mit Waisen hat Anja Junski eine subtile Geschichte ausgewählt, bei der man zunächst in die Irre geführt wird. „Man sagt sich bei ersten Verdachtsmomenten immer wieder: ,Das kann ja nicht sein‘, und ein paar geschickte Informationen tragen dazu bei“, lächelt sie. „Aber je mehr man erfährt, umso kritischer sieht man das, was passiert.“ Wie die Zuschauer im Theater sehen auch Helen (Meda Banciu) und Danny (Stephan Weigelin) nicht, was auf der Straße geschehen ist. Sie sind erschüttert, als Liam (Robert Flanze) in die Wohnung (Bühnenbild: Steven Koop) stolpert – atemlos und blutüberströmt. Mit dem romantischen Dinner ist es vorbei. Liam ist Helens Bruder – und kein unbeschriebenes Blatt, er ist vorbestraft. Man beschließt, erst mal nicht die Polizei zu alarmieren: Liam ist nicht verletzt, die Blutspuren, so sagt er, würden von einem Jungen stammen, der niedergestochen worden sei und um den er sich gekümmert habe. Ein Netz aus Lügen beginnt. Daran knüpft Junski an, streut Vermutungen, die sich in einer Grauzone zur Wahrheit bewegen. Autor Dennis Kelly geht in seinem Text einen detektivischen Weg, den die Regisseurin weiter verstärkt. „Man weiß nicht, was wirklich vorgefallen ist“, sagt Junski, die eine andere Geschichte aufbaut – zunächst eher nebenbei, dann langsam vordergründig. Die ersehnte heile Welt zeigt Risse, als klar wird, welches Schicksal die Geschwister Helen und Liam verbindet. Die beiden sind jene Waisen, die sich ein sorgenfreies Leben gewünscht haben, einen guten Platz im Leben. „Nach und nach werden dunkle Geheimnisse aufgedeckt, hört man von Sachen, die zunächst gar nicht besonders wichtig erscheinen“, verrät die Regisseurin, die auf subtile Reize setzt, die Spannung im Alltäglichen sucht, die die oft unterschätzten Auswirkungen von Eifersucht analysiert und sogar bei Dialogen nicht nur einen Text hören will: „Halbsätze, Bemerkungen, die abgebrochen werden, vieldeutige Versatzstücke, Blicke und nervöse Bewegungen sprechen für sich“, rät sie jedem Krimifan, genau hinzuschauen und mitzudenken. Es wird kräftig herumgedruckst, und so langsam formt sich ein Bild mit verstörenden Schattierungen. Die Tatsache, dass Helen sich als Kind von einer netten Familie verabschiedet hatte, die sie, aber nicht den ungezogenen, rebellischen Bruder adoptieren wollte, ist nur eines von zahlreichen Geheimnissen. Selbst in der Paarbeziehung von Helen und Danny kriselt es, wird emotionale Erpressung zum vermeintlichen Bindemittel. Nicht zuletzt der Spruch Blut ist dicker als Wasser spielt eine fatale Rolle. Anja Junski möchte nicht nur eine spannende Geschichte erzählen, eine Tat oder dunkle Charaktere aufdecken: „Es geht mir um Hintergründe, um die Fragen von Moral und Erwartung, um die Sehnsucht nach Liebe und Fürsorge und um die Folgen, wenn so etwas fehlt“, betont sie und überlegt in ihrer Inszenierung: Wer ist hier Opfer, wer ist Täter, wie wirken sich Abhängigkeiten aus? Waisen ist ein Thriller zum Mitdenken, ein psychologisches Schauspiel, das die Fantasie anregt. Oder sollte man besser sagen ein Drama? Die Beschäftigung mit Waisen führt Anja Junski zur Einsicht: „Wahrheiten nicht auszusprechen, andere mit Andeutungen abzuspeisen, endet mit Hilflosigkeit auf ganzer Linie.“ So wird in Waisen nach Kräften manipuliert, gedroht und verheimlicht. Die Geschichte vom helfenden Liam erfährt eine Wendung, und es gibt kein Happy End… OHNE KRIMI... GEHT IM MAI NIX Waisen, der Thriller von Dennis Kelly, feiert am Mittwoch, 30. April, 20 Uhr, Premiere im Grenzlandtheater Aachen in der ElisenGalerie am Friedrich-Wilhelm-Platz. Dort läuft das Stück unter der Regie von Anja Junski bis zum 3. Juni, danach tourt das Ensemble durch die Region. Karten sind online und an der Theaterkasse (Telefon: 0241/4746-111) sowie an verschiedenen Vorverkaufsstellen erhältlich. www.grenzlandtheater.de

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