22 | BAD AACHEN 06/25 KULTUR Rocksound und Rebellen Das DAS DA THEATER bringt das zeitlose Drama Frühlings Erwachen als kraftvolles Rock-Musical auf die Bühne der Burg Wilhelmstein und verbindet die brisanten Fragen von damals mit denen der Gegenwart. Von Sabine Rother 1891trifft auf Gegenwart. Das ewig junge Schauspiel Frühlings Erwachen von Frank Wedekind wird zum rockigen Musical (Spring Awakening) von Duncan Sheik (Musik) und Steven Sater (Buch und Liedtexte), das zunächst 2006 am Broadway, dann 2009 in Wien und schließlich 2011 in München, wo die deutsche Erstaufführung stattfand, auf die Bühne kam. Das DAS DA THEATER unter der Leitung von Tom Hirtz bringt den bis heute brisanten Stoff in diesem Jahr als Open-AirSommermusical auf Burg Wilhelmstein in Würselen-Bardenberg auf die Freilichtbühne. Premiere ist am Donnerstag, 5. Juni, 20 Uhr, danach weitere Aufführungen bis 29. Juni. Nach Hair und Der kleine Horrorladen eine Thematik, die aufhorchen lässt: „Gute Musik und grandiose Texte, die auf Deutsch gesungen werden, Themen, die niemanden kaltlassen“, betont Hirtz. Wie in Wedekinds Drama reagierte auch die damalige Gesellschaft mit starkem Widerstand: Frühlings Erwachen entfachte 1891 einen Sturm der Entrüstung, galt als sittenwidrig und als nicht aufführbar. Dabei geht es um junge Menschen, die erwachsen werden, um erste Liebe, Schwangerschaft, Abtreibung, Versagensängste und nicht zuletzt um Suizid, um die Scheinheiligkeit der Familien, schulische Dressur, den Einfluss der Kirche und lähmende Prüderie. Erst 1906 fand Frank Wedekind eine Bühne zur Uraufführung, als Max Reinhardt das Werk an den Berliner Kammerspielen inszenierte. Themen zwischen gestern und heute „An der Aktualität des Stoffes hat sich leider nicht viel geändert“, sagt Tom Hirtz. „Ich bin Vater zweier Teenager, wenn ich höre, was da zum Teil abläuft, kann ich es kaum glauben.“ Trotz aufgeklärter Zeiten: ungewollte Schwangerschaften, eine zunehmende Zahl von Depressionserkrankungen und Zwangsstörungen im Kindes- und Jugendalter, Schulangst, unerträglicher Erfolgsdruck, Suizidneigung und Abgleiten ins Suchtmilieu sind gegenwärtig. Bei den Vorbereitungen zur Inszenierung, die er selbst übernommen hat, hat der Theaterleiter gestaunt: „Wedekind war stets seiner Zeit voraus, aber wie er da die Situation analysiert hat, ist schon großartig.“ Gleichzeitig sei es ein rasantes und begeisterndes Musical mit flotter Musik. „Die rockigen Kompositionen zeigen alle Gefühlslagen, von der Ballade bis zum wütenden Protest“, versichert Tom Hirtz. Und: „Die Sprache Wedekinds bleibt erhalten.“ Zusätzlich zur vierköpfigen DAS DA-Band unter der Leitung von Christoph Eisenburger sorgt ein Streichertrio für Empfindsamkeit. Gemeinsam mit dem Team (Bühnenbild: Frank Rommerskirchen, Judith Meyer; Choreografie: Eveline Gorter; Kostüme: Rebekka Rück; Dramaturgie: Maren Dupont) verlegt Tom Hirtz die Handlung rund um Wendla Bergmann, Melchior Gabor und Moritz Stiefel in die 1950er-Jahre, in eine Zeit, in der noch vielfach Prüderie herrscht, der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg viele Menschen überfordert, Schule, Elternhaus und Kirche keinen Halt geben. Die drei gehen gemeinsam zur Schule und stecken mitten in der Pubertät. „Fehlende Aufklärung, Sexualität, kirchliche Lehren, das alles nimmt die Jugendlichen mit“, betont Tom Hirtz. „In heutiger Zeit vermitteln vor allem die sozialen Medien ein verzerrtes Bild von Realität und Sexualität.“ Ein weiteres Thema des Stücks ist ihm wichtig: Missbrauch, geschehen durch den Vater. „Das ist hart, aber es muss ausgesprochen werden“, betont er. Bei aller Provokation ist für ihn dennoch eins in der Inszenierung von Bedeutung: die Chance zur Erneuerung. Bis auf drei Sprechrollen setzt sich das Ensemble aus Musical-Profis zusammen. „Die Musik ist anspruchsvoll, von allen wird engagiertes Spielen verlangt“, beschreibt der Regisseur, für den ein weiterer Punkt wichtig ist: Die Sprache in Frühlings Erwachen bleibt drastisch – sie muss es sein, um zu überzeugen. Da ist so manches „völlig im Arsch“, brechen die Akteure unter ihrem „verfickten Leben“ zusammen. Das Spiel mit den Zeiten nutzt man, um zwei Ebenen zu schaffen, denn die einst verzweifelten Kinder treten gestorben oder gealtert aus der Vergangenheit hervor, um nachfolgenden Generationen die Augen zu öffnen. Doch: „Wir wollen das Publikum nicht in Trauer entlassen“, stimmt Hirtz versöhnlich: „Es gibt ein Lied der Hoffnung.“ Tickets & Termine: www.dasda.de/FRÜHLING Spielen im Ensemble auf Burg Wilhelmstein: Sarah Artley (Ilse) und Timo Aust (Moritz). Foto: Lukas Dahle
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