KULTUR 30 | BAD AACHEN 10/25 Kurt Sieders Vermächtnis Annette Bosetti blickt als nun scheidende Kuratoriumsvorsitzende sehr persönlich auf einen Preis, der die Theaterlandschaft in Aachen seit vielen Jahrzehnten prägt. Es war nur ein kurzes Gastspiel, das Kurt Sieder in Aachen gab. Doch alljährlich erinnert man an diesen Mann, der in die Stadtgeschichte gehört wie der nach ihm benannte Preis für Schauspielkunst. Als in der Kaiserstadt nach dem Zweiten Weltkrieg Bühnenkunst wieder ein Thema wurde, beauftragte man Sieder damit, den Spielbetrieb aufzunehmen. Von 1945 bis 1946 machte der gebürtige Mannheimer das Theater flott – ohne Etat, ohne Requisiten, ohne Spielstätte, denn das Gebäude lag bis auf den Portikus in Schutt und Asche. Gerda Sieder & die Stiftung Nach vierjährigem Intermezzo im Ruhrgebiet kehrte Sieder zurück und gründete 1950 das Theater im Zimmer, aus dem 1962 das vom Kreis Aachen getragene Grenzlandtheater wurde. Bis zu seinem plötzlichen Tod 1964 leitete er die kleine, aber von Beginn an anspruchsvolle Bühne. Seine Witwe Gerda, die Sängerin war, blieb beiden Theatern treu und gründete mit ihrem Privatvermögen die Kurt-Sieder-Stiftung für beste Schauspielkunst. Gerda Sieder war eine elegante Erscheinung; es gab keine Premiere in Aachen, an der sie nicht teilnahm. Zwei Jahre vor ihrem Tod holte sie auf ihrem heimischen Sofa Menschen zusammen: So berief sie ein Kuratorium (für die Wahl) und den Vorstand (für die Finanzen). Die Gründungsmannschaft bildete sich aus: Buchhändler Helmut Falter für die Jury, Sparkassenvorstand Hubert Herpers für die Finanzen, die Intendanten Paul Esterhazy und Manfred Langner für die Theater, Rechtsanwalt Dieter Bischoff sowie das Feuilletonisten-Trio aus Wolfgang Richter (gest. 2010) und paritätisch besetzt zwischen den damals noch zwei Lokalzeitungen Eckhard Hoog (AVZ) und Annette Bosetti (AN). Am 28. März 2004 gab es die ersten Preisträger: Heino Cohrs (gestorben 2010) fürs Stadttheater und Ingeborg Krabbe für das Grenzlandtheater (gestorben 2017). Die Kurt-Sieder-Feierstunde ist ein feiner Höhepunkt im Theaterjahr, weil sie eine Matinee von übersichtlicher Dauer mit intensiven und durchaus heiteren Ausbrüchen ist. In all den Jahren bescherte die Künstlerriege immer neue Höhepunkte: Axel Herrig brachte seine Band mit, Marlina Adeodata Mitterhofer rührte mit ihrem Textvortrag zu Tränen. Es wurde getanzt, gejazzt, gesungen oder einfach nur das Komische am Schauspiel gefeiert, wie es Preisträger Rainer Krause tat. Einmal, 2010, wäre die Vorstellung fast geplatzt: Als der später tragisch ums Leben gekommene Karl Walter Sprungala sein Solo nutzte, um ganz nebenbei zu testen, wie ausdauernd das Publikum sein würde. Allen Ginsbergs von ihm auf Englisch vorgetragenes Gedicht The Howl stellte eine Provokation dar, da es erstens schwer zu verstehen, zweitens anzüglich und drittens nicht enden wollend war. Den Versuch der Kuratoriumsvorsitzenden, ihm Einhalt zu gebieten, bremste Sparkassenvorstand Ralf Wagemann aus. Beweis für die stets gute Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Kuratorium. Wichtiger Preis & neue Weichen Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze, heißt es bei Schiller. Daher ist dieser Preis der Schauspielkunst wichtig. Nur herrscht ein Kommen und Gehen des Personals. Auch das Kuratorium der KurtSieder-Stiftung will sich verjüngen: Mit der ewigen Vorsitzenden Annette Bosetti verabschieden sich in diesem Jahr Dieter H. H. Stolte und Eva Rother. Sie machen Platz für Arndt Lorenz, Kira Wirtz, Jens Tervooren und Enikö Kümmel. Preisverleihung 2024: Intendanten, Vorstand, Kuratorium & Preisträger! Foto: Veranstalter PREISVERLEIHUNG: JUNGE TALENTE Der diesjährige Kurt-Sieder-Preis wird am Sonntag, 26. Oktober, um 11 Uhr im Spiegelfoyer des Theater Aachen verliehen. Ausgezeichnet werden Anne Bontemps für das Grenzlandtheater und Jonas Dumke für das Theater Aachen. Außerdem wird ein Sonderpreis vergeben, dessen Träger bis zur Verleihung geheim bleibt. Karten für die Veranstaltung sind kostenlos, müssen aber an der Theaterkasse (Telefon: 0241/4784-244) bestellt werden. www.theateraachen.de · www.grenzlandtheater.de Sofagespräche: Gerda Sieder holte Annette Bosetti (r.) ins Kuratorium. Foto: Privat
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