Rückenwind 02/2023

32 RAD IM ALLTAG Niederländer*innen nutzen in den Wintermonaten das Fahrrad etwa doppelt so häufig wie ihre deutschen Nachbarn. Das hat der Soziologe Dr. Ansgar Hudde vom Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Universität zu Köln herausgefunden. RückenwindRedakteur Bernhard Meier fragte Ansgar Hudde nach den Ergebnissen seiner Studie. Rückenwind: Herr Hudde, was genau haben Sie untersucht? Hudde: Ich habe repräsentative statistische Erhebungen zur Mobilität in Deutschland und den Niederlanden ausgewertet. Dabei wurden Daten von 335.000 Wegstrecken herangezogen, die von insgesamt 98.000 Einwohner*innen aus 263 mittelgroßen und großen Städten zurückgelegt wurden. Diese Mobilitätsdaten wurden mit stadtspezifischen Klimadaten verknüpft und gemeinsam analysiert. Da sich die Fahrradnutzung zwischen Bewohner*innen in Städten und auf dem Land stark unterscheidet, wurde die statistische Auswertung auf mittelgroße und große Städte (mit mehr als 50.000 Einwohnern) beschränkt. Und was haben Sie herausgefunden? In den Niederlanden wird das Fahrrad generell häufiger genutzt als in Deutschland. Im Sommer von Juni bis August werden von Niederländer*innen 23,0 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, in Deutschland 16,7 Prozent. Niederländer*innen verwenden auch im Winter von Dezember bis Februar für 20,5 Prozent ihrer Wege das Fahrrad. Demgegenüber legen Deutsche in dieser Zeit nur 10,3 Prozent ihrer Wege mit dem Fahrrad zurück. Sind die Deutschen Radler*innen wetterfühlige Warmduscher? So würde ich es nicht sagen – aber es gibt in den Niederlanden mehr Menschen, die auch bei Wind und Wetter mit dem Rad unterwegs sind. Da die Klimabedingungen zum Radfahren in den Niederlanden und Deutschland ähnlich sind, können damit nicht die Unterschiede bei der Fahrradnutzung erklärt werden. Die gemeinsame Analyse von Verhaltens- und Klimadaten zeigt: Wir in Deutschland sind empfindlicher, was Kälte und Dunkelheit angeht. Dass Niederländer*innen tendenziell das ganze Jahr radeln und Deutsche eher nur im Sommer, liegt nicht am unterschiedlichen Klima, sondern an unterschiedlichen Mobilitätskulturen. Woran machen Sie das fest? In Deutschland gibt es eine Fahrradkultur, die saisonale Muster widerspiegelt und fördert. Ein Beispiel ist der Begriff „Fahrradsaison“. Der sagt: es gibt eine Saison, in der man Rad fährt, aber auch eine, in der man nicht Rad fährt. Auch Fahrradaktionen, wie ‚Stadtradeln‘ oder ‚Mit dem Rad zur Arbeit‘ finden nur im Sommer Sind deutsche Radelnde Warmduscher? Studie zeigt: Niederländer*innen radeln im Winter doppelt so häufig Foto: www.pd-f.de / Florian Schuh Radfahren im Winter: In den Niederlanden ist das noch selbstverständlicher als in Deutschland.

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