Rückenwind 02/2023

34 Foto: privat Der Forscher Ansgar Hudde oder die Überlastung des ÖPNV ein Stück weit zu vermeiden. Wenn man im Winter mit dem Auto im Stau steht und relativ leere Radwege sieht, dann ärgere man sich vielleicht doppelt über Autospuren, die in Radwege umgewandelt werden. Wenn die Radwege das ganze Jahr über gut genutzt werden, kann das zu mehr Unterstützung für die Radverkehrsförderung führen. Und konkret? Eine stärkere Radnutzung im Winter kann beispielsweise durch eine bessere Beleuchtung der Radwege erreicht werden. Auch Fahrradaktionen, die im Winter stattfinden, könnten dazu beitragen, dass das Radfahren in den kälteren Monaten in Deutschland populärer wird. Die Niederlande zeigen: Beim Thema Ganzjahresradfahren besteht noch riesiges Potenzial für eine bessere Verkehrssituation und mehr Nachhaltigkeit. Vielen Dank, Herr Dr. Hudde, für das Gespräch. Der Autor der Studie, Dr. Ansgar Hudde (31), arbeitet als Akademischer Rat am Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Universität Köln. Die Studie wurde unter dem Titel „It’s the mobility culture, stupid! Winter conditions strongly reduce bicycle usage in German cities, but not in Dutch ones“ im Journal of Transport Geography veröffentlicht. Zur Studie: https://doi.org/10.1016/j.jtrangeo.2022.103503 statt. Sie senden das Signal aus, im Sommer werde geradelt, im Winter eher nicht. Aber liegt die unterschiedliche Nutzung des Fahrrades nicht auch an der Fahrradinfrastruktur, daran, dass in den Niederlanden die Radwege meist baulich getrennt, beleuchtet, gepflegt und im Winter geräumt sind? Die Frage, in welche Art von Verkehrsinfrastruktur Länder und Städte investieren, ist das Ergebnis politischer Entscheidungen und von Stadtplanung. Die Mobilitätskultur von Städten und Ländern beeinflusst auch deren Stadtplanung. Verkehrsinfrastruktur ist somit eine Art gebaute Mobilitätskultur. Insgesamt kann die Mobilitätskultur das ganzjährige Radfahren durch Stadtplanung und Verkehrsinfrastruktur behindern oder fördern. Dann steht uns unsere Mobilitätskultur im Weg, um einen Anteil der Fahrradnutzung wie in den Niederlanden erreichen? In der Untersuchung argumentiere ich, dass Mobilitätskultur auf zwei Wegen wirken kann: indirekt über die Stadtplanung und die Verkehrsinfrastruktur oder direkter durch die Beeinflussung der Wahrnehmung, Vorstellungen von Normalität und des Verhaltens der Menschen. Ich habe in Deutschland schon etliche Menschen getroffen, für die es einfach eine Selbstverständlichkeit ist, dass man im Sommer radelt und im Winter nicht. Diese Selbstverständlichkeit wird dann nicht mehr hinterfragt; es wird also etwa nicht überlegt, ob Eis und Schnee wirklich (noch) so häufig vorkommen; oder ob man auf dem Fahrrad wirklich so sehr friert. Was nun, was tun? Politik kann an beiden Punkten anzusetzen: an der winterfreundlichen Infrastruktur und an den Vorstellungen und Ideen, die die Menschen in ihren Köpfen haben; an den Routinen, an denen sie vielleicht teilweise unhinterfragt festhalten. Beides ist für die Diskussion um nachhaltige Verkehrspolitik relevant. Wenn mehr Menschen auch im Herbst und Winter mit dem Rad unterwegs sind, reduziert das den Ausstoß von CO2 und Feinstaub und hilft, Staus RAD IM ALLTAG

RkJQdWJsaXNoZXIy MTM5Mjg=