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AD

A

ACHEN

06/16

B

elgien hat die Energiewende verpasst, deswegen steht das

Land jetzt vor einem Problem.“ Was sich zunächst

nur

nach

einem wirtschaftlichen Fallstrick anhört, ist Städteregionsrat

Helmut Etschenberg längst als Angstfaktor bewusst. „Hier wird mit

unserer Gesundheit und unserem Leben

russisches Roulette

gespielt“,

spricht er die Befürchtungen Tausender aus, weil die belgischen

Pannenmeiler

Tihange 2

und

Doel 3

weiter aktiv sind.

Dass die Stromversorgung beim Nachbarn ohne sie kollabieren

würde, glaubt er nicht: „Sie waren monatelang nicht am Netz, und

die Energieversorgung hat funktioniert“, pocht er auf kurzfristige

Abschaltung und Ersatzmaßnahmen. Doch dem stellt sich die belgi-

sche Regierung massiv entgegen. Etschenberg schließt Lobbyismus

nicht aus: „Die belgische Tageszeitung

Le Soir

hat Auszüge aus

einem Kontrollbericht über die Atomaufsicht im Land veröffentlicht.

Darin tauchen Zweifel an deren Unabhängigkeit auf. Zumal der

heutige Chef der Behörde früher das Kraftwerk in Doel geleitet hat.“

Keine Panik schüren

Worte und Taten widersprechen sich aus Sicht des Städteregions-

rats: „Während Innenminister Jan Jambon und der Atomaufsichts-

chef Jan Bens die Sicherheit der Atomkraftwerke weiter betonen,

beginnt die belgische Gesundheitsministerin mit der Verteilung von

Jodtabletten an alle Haushalte.“ Das würde Etschenberg auch in

Aachen und Umland begrüßen. Nicht, um Panik zu schüren, son-

dern um Angst entgegenzuwirken.

Schönreden lasse sich ohnehin nichts: „Zwischen einem Unfall

und dem Eintreffen einer atomaren Wolke über der Städteregion

würden kaum drei Stunden vergehen“, betont er die Wichtigkeit des

Katastrophenschutzes. Doch der GAU lasse sich verhindern: „Indem

Tihange 2

abgeschaltet wird!“ Genau das will er mit einer Allianz von

70 Kommunen erreichen. Auf eine erste folgt eine zweite Klage, „in

der die persönliche Betroffenheit der Menschen nachzuweisen ist“.

Nur 70 Kilometer trennen unsere Region von einem der stör-

anfälligsten Atomreaktoren der Welt. Wie empfinden Sie das?

Im Dezember 2015 habe ich an einer Kundgebung des Aachener

Bündnisses gegen Atomenergie teilgenommen und etwas wahr-

genommen, was ich in dieser Form noch nicht erlebt habe: Angst in

den Augen der Menschen. Daher habe ich mit Zustimmung aller

Fraktionen alle rechtlichen Möglichkeiten geprüft, um eine Still-

legung von

Tihange 2

zu erwirken und damit auch die Sicherheit der

540 000 Bewohner der Städteregion zu gewährleisten: Wir haben

Klage vor dem Staatsrat (oberstes Verwaltungsgericht) eingereicht.

Wie sind die Erfolgsaussichten?

Nach meiner Lesart sind die Erfolgsaussichten als

gut

zu bewerten.

Das mag man auch daran erkennen, dass sich das Land NRW nach

anfänglicher Skepsis nun der Klage angeschlossen hat. Dennoch bin

ich der festen Überzeugung, dass wir eine Stilllegung des Reaktor-

blocks nur über politischen Druck erreichen können. Eine Allianz von

über 70 Kommunen mit Millionen Menschen übt diesen aus.

Wie stehen Sie zur Haltung von Oliver Paasch?

Ich schätze den Ministerpräsidenten der Deutschsprachigen Gemein-

schaft Belgiens sehr. Als ein Bestandteil des belgischen Staatsgefüges

kann er, was für mich nachvollziehbar ist, sich nicht unserer Klage

anschließen. Aber er teilt unser Ziel.

Bereiten Ihnen – abgesehen von einem Nuklearunfall – auch

Gefahren wie Terrorismus oder Erdbeben Sorgen?

Schon lange vor den Terroranschlägen in Brüssel haben wir uns über

drohende Gefahren Gedanken gemacht. Mensch und Natur bergen

Risiken, die kaum zu kontrollieren sind.

Hand aufs Herz: Haben Sie bereits Jodtabletten im Haus?

Nein, habe ich nicht.

VORGESTELLT

Foto: Städteregion Aachen/A. Herrmann

FRAGE

BOGEN

Geburtsdatum: 20. 6. 1947

Geburtsort: Aachen

Familienstand: verheiratet,

zwei Kinder

Beruf: Städteregionsrat

Ziel:

Tihange 2

abschalten!

Helmut

Etschenberg

Kein russisches Roulette

Die Städteregion Aachen ist Vorreiter im Kampf gegen belgische Pannenmeiler