BAD AACHEN 12-2021

58 | B AD A ACHEN 12/21 WEIHNACHTSTOPFGUCKER D as Fladenbrot ist noch im Backofen, warm muss es sein. Lina öffnet die Tür, es duftet herrlich. Mit geübtem Griff hebt sie das runde Gebäck an, schaut auf die Unterseite: „Noch eine Minute“, lächelt die erfahrene syrische Hausfrau. Nirgendwo tickt ein Wecker. Die drei Mitköchinnen aus Syrien und ihre türkische Kollegin lachen: „Brauchen wir nicht.“ Selbst Abwiegen und Abmessen geschieht mit Händen und guten Augen. In der Lehrküche der Volkshochschule Aachen haben sie sich getroffen, um Heimatliches zu genießen. Michael Videa, pädagogischer Mitarbeiter der VHS, ist der einzige Mann in der Runde. Statt Tipps zur deutschen Grammatik zu geben, darf er schnippeln, mischen, kneten. Selbst VHS-Direktorin Dr. Beate Blüggel ist Gast in der Unterrichtsstätte am Sandkaulbach. Die fleißigen Köchinnen haben ihren Deutschunterricht hinter sich und seufzen: „Ein Diktat!“, erzählt Wafaa. „Schwer! Morgen kommt dann der Test.“ Leila und Maisaa nicken, es ist nicht leicht. Aber heute wird unbeschwert gekocht – zusammen mit der Chefin des Hauses, das ist außergewöhnlich – und doch irgendwie schön. Beate Blüggel weiß um den verbindenden Zauber gemeinsamer Stunden in der Lehrküche. „Kochkurse gehören zu unserem regulären Angebot“, betont sie. „Da sind alle Nationen gemischt.“ Im syrisch-türkischen Frauenteam an diesem Vormittag wird eher Arabisch gesprochen. Und da die VHS-Chefin Vegetarierin ist, wird ebenso gekocht. Das ist in der arabischen Küche kein Problem. Das hat Koch Fadi Al Auwad bewiesen, dessen Kurse zum Thema Syrische Küche begehrt sind. Schwarzer Pfeffer, Kardamom, Oregano und Knoblauch: Es ist alles da, was der einstige TV-Koch als Basis der syrischen Küche sieht und in einem Buch festgehalten hat. Heute haben Videa und Blüggel Anregungen aus diesem Koch- buch mitgebracht. „Nicht nötig“, lächeln die Frauen höflich. Jede weiß, was zu tun ist. Auberginen, rote Bete, Zucchini vorbereiten, Granatäpfeln die fruchtigen roten Kerne abringen, Knoblauch schälen und hacken, Zwiebeln und Petersilie kleinschneiden, Minze darf nicht fehlen. Mehl und Sesampaste sind unverzichtbar. Es wird gelacht, geplaudert und gearbeitet. Nach und nach verwandeln sich die Zutaten – etwa in Fatayer Bil Juben, feine Teigtaschen, die wie Schiffchen aus Hefeteig eine Mischung aus Ei, Butter, Käse und Petersilie tragen, oder Ejjeh Koussa, die frittierten Zucchini-Bällchen. Gibt es eine Lieblingsspeise, die ihnen allen den Geschmack von Heimat bringt? Unbedingt: „Mahashi“, nickt Wafaa, das kann man nur zubereiten, wenn viele helfen. Daheim in Syrien war in der Küche von Mutter oder Großmutter eine Menge los – Kochen als Gemeinschaft. „Das ist hier zum Glück auch so“, betont Beate Blüggel, die staunt, was für schön dekorierte Gerichte bald auf den Tischen stehen. „Optik ist für uns wichtig“, sagt Wafaa. Für die VHS-Direktorin ist das Kochen mit arabischem Hinter- grund bereits ein Stück Weihnachten: „Seit vielen Jahren reise ich mit meinem Mann an den Feiertagen nach Assuan“, verrät sie. „Nach einer Fahrt mit einer Feluke auf dem Nil gehen wir in eine kleine christliche Kirche und treffen Freunde, eine arabisch-englische Familie“, schwärmt sie. Ob die Reise 2021 klappt, ist noch ungewiss. Keine Frage ist aber, dass die Speisen an diesem Tag allen köstlich schmecken! Warum also nicht mal einen Kochkurs an der VHS zu Weihnachten verschenken! Feines aus der VHS-Küche: Dr. Beate Blüggel (Mitte) kocht mit Teilnehmerinnen und Mitarbeitenden. Fotos: Andreas Herrmann Der Geschmack von Heimat In der VHS Aachen finden viele Kulturen zusammen – und das nicht selten beim Kochen und Essen. Für VHS-Leiterin Dr. Beate Blüggel gibt es Vegetarisches aus Syrien. Ein Festmahl, das Sabine Rother erlebte.

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