Rückenwind 01/2023

30 VERKEHRSPOLITIK Umweltspur spaltet Fahrbahn und Gemüter Ein Verkehrsversuch in Bonn: Kritik an nächtlicher Freigabe für Autos Umweltspur? Was ist das und wozu soll das gut sein? Wer darf da wann und wie fahren? Wozu brauchen Radfahrer so einen breiten Radweg? Fragen, die in Bonn hohe Wellen schlagen: von Lob und Zustimmung bis zur völligen Ablehnung. Anfang Oktober wurden sie markiert, die Umweltspuren auf dem Hermann-Wandersleb-Ring zwischen den Kreuzungen Provinzialstraße/Rochusstraße und Auf dem Hügel/ Frongasse. Die bisher vier Kfz-Spuren wurden neu aufgeteilt: Die beiden äußeren Fahrspuren wurden zu Umweltspuren, damit Busse staufrei an ihr Ziel kommen. Beide Spuren sind auch für den Radverkehr freigegeben. Dennoch ist das von Kritikern prognostizierte Verkehrschaos ausgeblieben. Ohnehin gehen die Kritiker von der irrigen Annahme aus, dass nun die bisherige Anzahl von Kfz dauerhaft auf weniger Platz gepresst würde, vermehrter Stau also unvermeidlich wäre. Ziel der Verkehrswende ist jedoch, durch mehr Attraktivität von ÖPNV und Radverkehr den Autoverkehr und damit Staus zu reduzieren. Somit käme auch der Personenkreis, der auf das Kfz angewiesen ist, wieder pünktlich an sein Ziel. Seit Beginn der Markierungen steht das Projekt medial im Fokus, und an ihm scheiden sich die Geister. Zur Klarstellung: Mit dem Begriff Umweltspur ist eine Spur für Busse im Linienverkehr gemeint, die außerdem für Radfahrende freigegeben ist. Andere Fahrzeuge (außer Einsatzfahrzeuge) dürfen sie nicht benutzen. Es handelt sich also nicht um einen – wie häufig argumentiert wird – überdimensionierten Radweg. Die Umweltspur ist somit in erster Linie ein enormer Vorteil für die Passagiere im öffentlichen Nahverkehr, die diese Strecke jetzt staufrei passieren können und damit pünktlicher an ihr Ziel kommen. Da ÖPNV und Radverkehr – im Sinne von Umweltschutz und Verkehrswende – Verbündete sind, freuen wir uns als ADFC über diese Errungenschaft. Und wer als Radfahrender auf dieser Strecke unterwegs ist, kann die Umweltspur mitnutzen. Natürlich wären für den Radverkehr getrennte Radspuren vorzuziehen, doch lassen sich solche nun einmal nicht überall einrichten. Gegenüber dem bisherigen für Radverkehr frei gegebenen, viel zu schmalen und holprigen Fußweg entlang des Hermann-Wandersleb-Rings ist dies ein wesentlicher Fortschritt. Unverständliche nächtliche Freigabe Womit wir als ADFC aber gar nicht einverstanden sind, ist die – vorsichtig ausgedrückt – merkwürdige Regelung, dass die Umweltspur in Richtung Duisdorf von 22 bis 5 Uhr für den gesamten Verkehr freigegeben ist. Von der Sache her ist dies Unsinn, denn in der Nacht benötigt der Kfz-Verkehr diese zusätzliche Spur nicht. Gleichzeitig wird in unseren Augen fahrlässig in Kauf genommen, dass es in der dunklen und nassen Jahreszeit zu Kollisionen mit schlimDie neue Umweltspur auf dem Hermann-Wandersleb-Ring ist für Radfahrer frei. Fotos: Axel Mörer

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