Rückenwind 01/2023

35 VERKEHRSPOLITIK fast alle Wege nur den Pkw und nie das Fahrrad oder ÖPNV nutzen. Im Vergleich dazu ist die Gruppe der unimodalen Radfahrer:innen mit 8 % relativ klein. Dies verdeutlicht, dass es noch viel weniger die Radfahrer als die Autofahrer gibt. Eine gegenseitige Perspektivenübernahme begünstigt jedoch konstruktive Diskussionen, etwa um begrenzte Verkehrsflächen. So haben niederländische Radler den Vorteil, dass die meisten Verkehrsteilnehmer wissen, wie man den Verkehr als Radfahrender erlebt. Fehlende Einordnung von Ergebnissen Statt auf den klassischen Konflikt zwischen Autofahrern und Radfahrern anzuspielen, soll die Überschrift „Radfahrer schimpfen über Radfahrer“ jedoch suggerieren, dass Radfahrende sich im Verkehr so rüpelhaft verhalten, dass sie sich sogar gegenseitig beschimpfen würden. Für so eine Aussage hätte man jedoch zumindest untersuchen müssen, ob sich mehr Radfahrende über Radfahrende beschweren als Autofahrer über Autofahrer. Das heißt, Zahlen müssen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, um sie angemessen interpretieren zu können. Bewertende Fragen und Antworten Abgesehen von der fehlenden Einordnung dieses Ergebnisses gibt die zugrunde liegende Fragestellung „Sind Klagen über Fahrradfahrer berechtigt?“ den Interviewten eine klare Richtung vor, die mehr über denjenigen aussagt, der die Frage entwickelt hat, als über denjenigen, der sie beantwortet. Gleichermaßen wird bei der Frage zum Seilbahn-Projekt vorgegangen: „Braucht Bonn eine Seilbahn zumVenusberg?“ Zusätzlich wird mit den Antwortmöglichkeiten „ja“ bzw. „nein, darauf könnte man verzichten“ einseitig Einfluss auf das Antwortverhalten ausgeübt. Einseitige Ergebnisdarstellung Neben der Formulierung der Fragestellung und der Antwortmöglichkeiten kann auch mit Hilfe der Ergebnisdarstellung eine Interpretationsrichtung nahegelegt werden, wie bei der Frage nach der „Bedeutung der Verkehrswende für die Befragten“. Hier wurde eine unsymmetrische Darstellung der Antwortalternativen (Grafik unten, Bild 1) in Form eines Balkendiagramms gewählt, was den Eindruck eines ausgewogenen Antwortverhaltens vermittelt. Dabei überwiegt deutlich der Anteil der Befürworter (Bild 2). Falsche Bezugsgrößen Schließlich ist es für die Ergebnisinterpretation entscheidend, passende Bezugsgrößen zu wählen. So hätte die Überschrift „Jeder dritte Radfahrer fühlt sich in Bonn unsicher“ bei der gezeigten Antwortverteilung (sehr sicher/ sicher: 39 %; weniger sicher/gar nicht sicher: 31 %; fahre in Bonn nie Rad: 30 %) eigentlich heißen müssen: „Fast die Hälfte der Radfahrer fühlt sich in Bonn unsicher“. Denn das Drittel der Nicht-Radfahrenden hätte von der Bezugsgröße der Radfahrenden abgezogen werden müssen. Inhaltliche Abhängigkeiten Im gleichen Artikel wird zudem unzureichend auf gegenseitige Abhängigkeiten von Faktoren eingegangen. Wenn sich also die subjektiv wahrgenommene Unsicherheit von Radfahrern am Bertha-von-Suttner Platz nicht so deutlich

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